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Nachhaltigkeit im Zentrum der Unternehmensstrategie?

Interview mit Jan Peter Schacht Nachhaltigkeit und Transformationsmanager

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Inhaltsverzeichnis

Jan Peter Schacht, ein Transformationsmanager mit über 30 Jahren Erfahrung in der Unternehmensberatung, hat sich in den letzten Jahren auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisiert. Im Interview spricht er über seinen Werdegang, die Herausforderungen in der Organisationsberatung und warum die Nachhaltigkeitstransformation heute unverzichtbar ist. 

Die Rolle eines Transformationsmanagers

Transformationsmanager: Was ist das? Wie ist dein Werdegang? 

Vor 30 Jahren habe ich in der klassischen Unternehmensberatung angefangen. Mein Fokus lag auf der Organisationsberatung: Post-Merger-Integrationen, Reorganisationen, Restrukturierungen, In- und Outsourcings. Alles war immer sehr prozess- und struktur-lastig. Es ging um das Erstellen von Organisationscharts, um die Definition der unendlich vielen Prozesse und Schnittstellen in den neuen Strukturen sowie alle Zahlen, die damit einhergingen: Kapazitäten, Zeiten für Prozessschritte, Kosten der Prozesse usw. Für mich als strukturierten Menschen war dies sehr spannend, aber irgendwann habe ich mich gefragt, warum viele dieser Projekte nicht das gewünschte Ziel erreichten. Dies hat mich sehr beschäftigt. 


Wann begannst du über Nachhaltigkeitstransformation nachzudenken?
 

Ich war frustriert, dass viele Beratungsprojekte nicht den gewünschten Erfolg erzielt haben. Anfang der 2000er Jahre durfte ich David Nadler über meine damalige Beratung Oliver Wyman kennenlernen. Er hat zusammen mit dem Harvard-Professor Michael Tushman das sogenannte Kongruenzmodell entwickelt. Dieses besagt vereinfacht, dass jede Organisationsveränderung an vier Dimensionen ansetzen muss: an den Strukturen, der Art zu Arbeiten (Prozesse), aber auch an den Menschen und an der Kultur. 

Das Kongruenzmodell hat er in Form einer Raute dargestellt, die Kultur stand oben. Folglich ist die Kultur das wichtigste Element einer jeden Organisation, es geht aber nicht ohne sie. Ein weiteres wichtiges Learning ist die Feststellung, dass es niemals die „beste“ Organisation geben kann, sondern immer nur den „Best Fit“ der vier Dimensionen. Dieser „Best Fit“ wird nicht mit einer Zahl belegt, sondern nur an den geschaffenen Ergebnissen festgemacht. Auch hier wiederum werden alle vier Dimensionen betrachtet: Effizient laufende Prozesse mit guten gemessenen Werten der Mitarbeiterumfragen bei gleichzeitig hoher Kundenzufriedenheit und guten Unternehmensergebnissen wäre ein möglicher Indikator.  


Was bedeutet das genau?
 

Wenn immer Veränderungen auf Organisationen treffen, sollten diese über alle vier Dimensionen betrachtet und umgesetzt werden. Es reicht also nicht, wenn E-Mails geschrieben werden, in denen die neue Art zu arbeiten vorgegeben wird. Die Menschen müssen u. a. verstehen, warum diese neue Art zu arbeiten für sie, die Kunden und für das Unternehmen Vorteile bringt. Es wird intensiv erklärt werden müssen, dass in der Vergangenheit nicht alles falsch war und dass die Führungskräfte sich nach intensiven Überlegungen dazu durchgerungen haben, diese Veränderung durchzuführen. Die Haltung und die Art der Kommunikation von Führungskräften nehmen in jeder Veränderung eine sehr hohe Bedeutung ein, die fast immer unterschätzt wird. Gelungene Veränderungen haben sehr viel mit Kommunikation, Erklärungen und der Haltung sowie dem Verhalten von Führungskräften zu tun. 

Fokussierung auf Nachhaltigkeit: Der entscheidende Wendepunkt

Spezialisierung: Warum hast du dich auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiert? 

Nachhaltigkeit ist m. E. das wichtigste Veränderungsthema der aktuellen und aller zukünftigen Generationen. Die Menschheit hat mit Beginn der Industrialisierung begonnen, das bis dahin existierende Gleichgewicht unseres Planeten ins Ungleichgewicht zu bringen. Wir haben das Zusammenspiel von Atmosphäre, Lithosphäre und Biosphäre, welches über Jahrmillionen weitgehend ausgeglichen war, in ein Ungleichgewicht gebracht. Dies rächt sich seit vielen Jahrzehnten, die Auswirkungen kennen wir: Klimaverwerfungen, Umweltverschmutzungen, Zerstörung von Biodiversität, um nur ein paar zu nennen. Seit vielen Jahren haben wir erkannt, dass dies so ist und wir daher umsteuern sollten. Da diese Veränderung sehr viel mit der Haltung und dem Verhalten von Menschen zu tun hat, finde ich dies so spannend. Ich bin auch intrinsisch motiviert. 

 

Nachhaltigkeit: Eine Definition und ihre Bedeutung

Wie definierst du Nachhaltigkeit? 

Diese Frage ist in der Tat sehr spannend. Ich stelle diese als Eingangsfrage immer in meinen Projekten: „Was ist eure Definition von Nachhaltigkeit?“ Die Beantwortung dieser Frage setzt eine erste und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit voraus. Gleichzeitig sollten wir uns im Klaren sein, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ per se schon etwas überstrapaziert ist und bei den Menschen Argwohn bis Ablehnung hervorruft. Ich würde daher bevorzugen, wenn wir Nachhaltigkeit durch Impact und Relevanz ersetzen. Wenn ich – als Individuum und Organisation – Impact und Relevanz für eine nachhaltigere Welt erzeugen will, dann habe ich es begriffen. Dann macht auch die Definition, welche ich gern verwende, am meisten Sinn: „Meeting the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Diese Definition stammt übrigens von Gro Harlem Brundtland aus dem Jahre 1987.


Warum ist Nachhaltigkeit denn überhaupt ein so wichtiges Transformationsthema?
 

Eben weil wir ein Ungleichgewicht erzeugt haben und wenn wir so weitermachen, wird die Welt, wie wir sie erleben, für unsere Kinder und Kindeskinder nicht mehr lebenswert sein. Gleichzeitig wissen wir, dass wir unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen und diesen auch nicht verringern wollen. Beides würde globale gesellschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen, deren Auswirkungen nicht zu beschreiben sind. Daher sehe ich eine Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit immer im Einklang mit wirtschaftlichem Wachstum. 

Es gibt viele Stakeholder, die von den Unternehmen ein nachhaltigeres Verhalten fordern. Der Gesetzgeber ist aktuell der bekannteste Anforderer (Green Deal, Taxonomie, CSRD, ESRS etc.). Da alle Unternehmen Teil von Liefer- und Produktionsketten sind, schauen alle mittlerweile auf das Verhalten ihrer Vor- und Nachlieferanten, auf die Kunden und den Nachkundennutzen. Was passiert mit dem Produkt, wenn es nicht mehr gebraucht wird? Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Mitarbeitenden, denen mehr denn je daran gelegen ist, bei einem Unternehmen zu arbeiten, welches einen tatsächlichen Impact schafft und damit Relevanz erzeugt. Last but not least schauen auch die Banken immer stärker, inwieweit sich ihre Unternehmenskunden in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln. Denn Banken sind in der Logik des Green Deal als erster Stellhebel zur Nachhaltigkeitsveränderung definiert worden und müssen dafür sorgen, dass sich ihre Kunden nachhaltiger aufstellen.   


Wie lange dauert die Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit?
 

Veränderungen zu mehr Nachhaltigkeit dauern sehr lange und enden eigentlich nie. Diese sowohl wissenschaftliche als auch unternehmerische Erkenntnis sollte jedes Unternehmen in der Veränderung leiten. Eben weil man nie „fertig“ wird und weil das Thema ökologische, gesellschaftliche und unternehmerische Aspekte hat, sollte sich jedes Unternehmen Gedanken machen, schnellstmöglich und fundiert zu starten. Die Veränderung des Geschäftsmodells in Richtung Nachhaltigkeit wird jedes Unternehmen dauerhaft beschäftigen. Es ist daher nicht als ein reguläres Projekt zu betrachten, sondern als eine im operativen Geschäft zwingend notwendige Haltungs- und Denkweise. Diese ist quasi systemimmanent. Alle unternehmerischen Entscheidungen, Prozesse, Produkte und Entwicklungen sollten sich der vom Unternehmen selbst gegebenen Nachhaltigkeitsdefinition und den damit verbundenen Nachhaltigkeitszielen unterwerfen. Ich betone aber ausdrücklich, dass die Veränderung immer unter den geltenden ökonomischen Parametern durchgeführt werden sollte. Denn ohne ökonomisch erfolgreiche Unternehmen wird die Gesellschaft destabilisiert, was nicht erstrebenswert ist. 


Wie sollten Unternehmen Nachhaltigkeit angehen?
 

Ich empfehle, dass Unternehmen für sich eine individuelle Nachhaltigkeitsagenda entwickeln. Diese orientiert sich an den auch in der Regulatorik vorgegebenen Methoden von Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalyse sowie einer Materialitätsmatrix und der Ableitung in eigenen Nachhaltigkeitszielen. Ein Abgleich mit gängigen Agenden und Standards wie den z. B. den UN SDGs, SASB, TCFB, SBTi ist in jedem Falle sinnvoll, denn deren durchdachte Anwendung zeigt die inhaltlich-intelligente Form der Auseinandersetzung sowie die Tatsache, dass die Veränderung ernst gemeint ist und Greenwashing ausgeschlossen werden soll. 

Wichtige Stellhebel in der Nachhaltigkeitstransformation

Was sind die wichtigsten Stellhebel in der Nachhaltigkeitstransformation? 

Zunächst ist die Festlegung einer eigenen Definition ausschlaggebend. Diese sollte vom Vorstand oder der Geschäftsführung geschlossen getragen werden. Nach der Ableitung eines Vision- und Missionsstatements, wie sich das Unternehmen zukünftig im Hinblick auf den eigenen Impact und die Relevanz bezüglich seiner Nachhaltigkeit positionieren will, sollte die Auseinandersetzung mit den regulatorisch relevanten Methoden passieren: Stakeholderanalyse, Materialitätsmatrix und Festlegung der eigenen Nachhaltigkeitsziele etc. Dieser Prozess lässt sich erfahrungsgemäß in 3-5 Monaten bei entsprechendem Engagement aller Beteiligten durchführen. Am Ende eines solchen Vorgehens steht eine solide Nachhaltigkeitsagenda, welche als Basis für das Nachhaltigkeits-Reporting nach CSRD / ESRS und die interne sowie externe Kommunikation dienen wird. Aber auch den Banken wird der fundierte Nachweis erbracht, dass sich das jeweilige Unternehmen detailliert mit der komplexen Materie Nachhaltigkeit auseinandergesetzt hat. Die Banken werden dies positiv für ihr eigenes ESG-Rating anerkennen und perspektivisch mit günstigeren Konditionen antworten. 

Nachhaltigkeitstransformation: Kosten oder Chance?

Ist eine Veränderung zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell nur mit Kosten verbunden oder gibt es auch positive Aspekte? 

Es wäre ein Trugschluss zu behaupten, dass die Nachhaltigkeitstransformation keine Kosten verursachen wird. Diese werden in den ersten Jahren sichtbar und sind wie in jedem Veränderungsprozess einzukalkulieren. Sie lassen sich aber in jedem Fall durch ein stringentes und fundiert gesteuertes Vorgehen in einem erträglichen Maß halten. Insbesondere die Frage, ob das Unternehmen nur „regulatory compliant“ sein will oder sich strategisch nachhaltig aufstellen will, ist entscheidend. Im ersteren Fall sind die kurzfristig anfallenden Kosten sicherlich geringer, während die langfristigen Kosten deutlich überwiegen werden. Das gesamte gesetzlich vorgegebene Konstrukt der Taxonomie, aber auch die Anforderungen aller Stakeholder, sind derart anspruchsvoll, dass die reine Orientierung an der Regulatorik sich langfristig mit dauerhaft schlechten Unternehmenszahlen rächen wird. 


And last but not least: Was hast du selber bereits getan, um nachhaltiger zu werden?
 

Sehr gute Frage: Ich habe mir zunächst meinen ökologischen Fußabdruck angesehen und daraus meine Rückschlüsse bezüglich meiner Lebensgewohnheiten gezogen: u. a. sind „repair, reuse, recycle“ für mich wichtige Überlegungen geworden. Genauso Fragen zu Reise- und Essgewohnheiten. Muss ich Dinge neu kaufen, oder tun die alten es auch? Wenn ich Dinge neu kaufe, überlege ich, was im Nachkundennutzen passiert. Ganz banal freue ich mich, wenn ich sehe, dass unser Hausmüll weniger wird, während der Biomüll mehr wird. 

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